Sonntag, 30. Mai 2010

Knastfeeling inklusive

Bei diesen beiden öffentlichen Toiletten in Wien
herrscht offenkundig ein einheitliches Raumdesign,
das den Aufenthalt des Benutzers wohl so kurz wie
möglich gestalten soll:

- gefliester Boden und geflieste Wände
- ein WC aus Metall ohne Klobrille
- kein Klopapier
- keine Klobürste
- ein nicht funktionstüchtiges Waschbecken
- keine Papiertücher oder ähnliches zum
Händeabtrocknen
- kein Spiegel
- ein Gitter über der Kabine, damit man
nicht ins Nachbarklo linst
- eine Lüftungsanlage, die leider nicht
ausreichen funktioniert (Fäkalgeruch)
- schmierige Metalltüren, die schon länger
keinen Putzlappen mehr gesehen haben

Jeglicher Komfort, den ein semi-öffentliches WC
zumeist bietet, wurde hier bewusst entfernt und gar
nicht erst in die nüchterne, geordnete Raumkonzeption
eingeplant. Dadurch werden diese WC-Anlagen
eindeutig radikal zweckgerichtet und wohl von dem
Benutzer nach einem Mal nie wieder aufgesucht.
Durch das Fehlen von Toilettenpapier wird hier die
Notdurft zu einer prekären Angelegenheit und die
gesellschaftlichen Ideale des Klogangs können nur
bedingt erfüllt werden. Des Weiteren wird das
Übergangsritual zum Verlassen des Ortes
unterbunden, da das Waschbecken nicht
funktioniert und man sich zusätzlich nicht die
Hände abtrocknen könnte.

Die Zweckentfremdung wird somit auf eine
andere Art vollzogen und zwar in der Form von
Toilettensprüchen und unverständlichen Graffiti
auf der einzigen, nicht gut zu reinigen Fläche:
der Tür. Der „Aufstand der Zeichen“ bringt eine
gewisse Historizität in das nüchterne Raumgefüge
und verweist auf einen zeitlichen Bruch, da deren
Urheber bereits abwesend sind und sich die
Bedeutungsdechiffrierung vielen verweigert.
Dennoch können sie als Medien gesehen werden
und verweisen eindeutig auf ein Jenseits des
Raumes, wodurch diese Toilettenanlage
kein Nicht-Ort ist.

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