Dienstag, 8. Juni 2010

Freiraum

Freiraum Standort: Mariahilferstraße 117, 1060 Wien


„Das Wort steht sinnbildlich für den Raum zur Entfaltung.“ (Wolfgang Jappel, Geschäftsführer, http://www.freiraum117.at)


Mit diesem Zitat und der Kamera in der Tasche, haben wir völlig durchnässt die Toilette des Wiener „Szenelokals“ Freiraum auf der Mariahilferstraße betreten. Ein reges Treiben herrschte im Vorraum der Toilettenkabinen. Während einzelne ihrer Blase Luft machen mussten, taten andere dies mit dem Ärger über ihrer Begleitung und diskutierten mögliche Annäherungsversuche. Wiederum andere verglichen die Qualität ihrer Regenschirme, zogen ihren Lidstrich nach oder versuchten ihre Füße trocken zu legen.

Bei näherer Betrachtung fiel uns auf, dass die Raumkonzeption des WCs die Entstehung einer solchen oder ähnlichen Kommunikation förderte: Mittig des großen Raumes steht ein rundes, mit Mosaiken bestücktes Waschbecken (Durchmesser ca. 1 Meter), welches keinen Kontakt zu einer Wand hat. Mittels Knopfdruck auf einen von sechs am Waschbecken angebrachten rot- beleuchteten Knopfes, aktiviert man die Brause über dem Waschbecken. Das Wasser kommt somit von oben herab. Dadurch können mehrere Personen gleichzeitig die Hände waschen und stehen sich dabei gegenüber bzw. nebeneinander. Diese Face-to-face- Situation begünstigt verbale aber auch non- verbale Kommunikation. Seitlich steht eine rosafabene Kommode im „used Look“ an der ein Spiegel angebracht ist, an dem mehrere Personen gleichzeitig Platz finden. Auf dieser kann man seine Tasche o.Ä. ablegen und sich im Spiegel betracheten . Der „used Look“ schafft eine heimische und mädchenhafte Atmosphäre in dem weitläufigen Raum. Über der Kommode hängt ein glänzender Kronleuchter. Neben starker Ausleuchtung (perfekt zum Stylen ;) ) machen viele runde Spiegel, in verschiedenen Größen, den „Waschraum“ aus fast jeder Perspektive einsehbar und vergrößern ihn optisch. Die Wand hinter den Spiegeln ist gefliest, andere Wände jedoch ziert zusätzlich noch pink gemusterte Tapete. Während dieser Teil der Toilette eher zum gemütlichen und auch kommunikativen Verweilen einlädt, sind die einzelnen Toilettenkabinen spartanisch aber edel, schick und sauber in schwarz gehalten (bis auf wenige Amaturen). Die Beleuchtung ist wesentlich gedämpfter als im Vorraum, vermutlich damit Schmutz nicht so leicht sichbar ist. Regelmäßige Kontrollen von Reinigungspersonal verwischen alle sichtbaren Spuren von fremden „Eindringlingen“ (keine Flyer, keine Werbung, kaum Müll), denn in den Toilettenräumen wie auch im gesamten Lokal wird auf eine kreierte Ordnung geachtet.


Wir wollten beweisen, dass man ein großes lokal schaffen kann, das dennoch den gast als eigene persönlichkeit, mit vielfältigen interessen und ansprüchen, anerkennt. und hier ist ein vielfältiges angebot und design notwendig. daher war es uns extrem wichtig, einerseits den raum in verschiedene bereiche zu unterteilen, aber vor allem auch gastronomisch ein so großes und differenziertes angebot zu haben.“ (http://www.freiraum117.at/)


Dieses differenzierte Angebot spiegelt sich in den Toilettenräumen ebenfalls wieder, weil dort (wie oben angeführt) verschiedene Arten des Designs vertreten sind. Wie bereits erwähnt wird in dieser WC-Anlage die Kommunikation und Interaktion der Benutzer gefördert. Durch die Anordnung der Ausstattung ermöglicht es dem Besucher, diesen gesellschaftlichen Raum gemeinschaftlich zu nutzen. Unserer Ansicht nach ist dieses WC als Dritter Ort zu bezeichnen bzw. begleitet einen Dritten Ort (das Lokal). Zusätzlich lohnt es sich anhand dieses Beispiels genauer auf das dritte Merkmal einer Heterotopie (Foucault) einzugehen.


„Heterotopien besitzen die Fähigkeit, mehrere reale Räume, mehrere Orte, die eigentlich nicht miteinander verträglich sind, an einem einzigen Ort nebeneinander zu stellen“ (Foucault: „Andere Räume“,1967. S.324)


Es bringt die einerseits sehr intime und persönliche Handlung der Verrichtung der Notdurft in Verbindung mit einer gesellschaftlichen bzw. auch gemeinschaftlichen Handlung und Situation. Hier befindet sich die Toilettenkabine neben dem großen „Waschraum“, der zur persönlichen Entfaltung und zur Kommunikation im öffentlichen Raum einlädt.



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