Freitag, 11. Juni 2010

Genealogie des Klos 5 - Ausprägungen und Verschleierung

Mit der Einführung der Kanalisation kam auch die Etablierung öffentlicher Bedürfnissanlagen in das moderne Stadtbild. Heute gehört das Klo in den westlichen Gesellschaften zum guten Ton und es gibt sogar allerhand Gesetzte zum Thema WC, beispielsweise ab welcher größe ein Restaurant auch über ein Klo verfügen muss. Überall in der Welt gibt es öffentliche Bedürfnisanstalten in diversen Ausführungen: im ländlichen China setzt man sich beispielsweise auf einen Trog, in Indien sind Hocktoiletten angesagt, WC-Anlagen in Italien haben fast alle einen Lüfter gegen den Geruch, in Singapur ist die Betätigung der Spülung gesetzlich vorgeschrieben, in entlegenen Regionen dieser Welt ist meistens eine Art Plumsklo zu finden, in Teilen Kanadas darf man keine Nutzungsgebühr erheben, Dixieklos sind oftmals Begleiter von Festivals und selbst in Bahn und Flugzeug muss der Reisende nicht auf ein Klo verzichten, das hier auf einem Unterdrucksystem basiert.



Was neuer Erfindungen wie der Roadbag (bessere "Plastikflasche" für unterwegs) oder im Sitz integrierte WC-Schalen in chinesischen Autos (speziell für das Bedürfnis im Stau) allesamt verschweigen, ist die Tatsache, dass sehr viele Menschen auf dieser Welt keinen Zugang zu öffentlichen Toiletten haben und in erbärmlichen hygienischen Verhältnissen leben. Beinahe 40% der Weltbevölkerung muss die Notdurft in Gruben, am Wegesrand oder in notdürftigen Behelfnissen verrichten und etwa 2,6 Milliarden Menschen haben überhaupt keinen Zugang zu sanitären Anlagen irgendeiner Art.

Der selbstverständliche Vorgang der Toilettennutzung aufgrund von gesellschaftlicher Gewordenheit, die damit verbundene artifizielle Instrumentalisierung des Stoffwechsels und dessen Eindämmung auf bestimmte Räumlichkeiten wird bei der Benutzung einer heterotopen Örtlichkeit kaschiert, da es für uns ein alltäglicher Usus ist, über den meist nicht nachgedacht wird. Das Bedürfnis der Gesellschaft geht hier eindeutig in Richtung Verschleierung von natürlichen Bedürfnissen, da diese vermehrt als schamhaft und nicht gesellschaftstauglich angesehen werden. Durch die Etablierung von gewissen gesellschaftlichen Normen im Umgang mit der Notdurft, kommt es zur Unterscheidung zwischen gesellschaftlich akzeptablem Verhalten und einem, das nicht den gängigen Konventionen entspricht und damit als unnormal gilt, obwohl es in Anbetracht der Tatsache, dass der Mensch vom Affen abstammt, allemal natürlicher wäre.

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